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___ Das
Ballett der Deutschen Oper Berlin verabschiedet sich mit einem dreigeteilten
Uwe-Scholz-Abend ___
___ VON VOLKMAR DRAEGER ___
___ Dass
es den Zuschauer bei dieser letzten Ballettpremiere in der Deutschen
Oper kühl anwehte, hatte zwei Gründe: das Wissen um die Fusion
des langgedienten, einst hochkarätigen Ensembles mit dem Lindenopernballett
ab der neuen Spielzeit, und die erkältende Frische in den Choreografien
dieses Abends. ___
___ Uwe
Scholz, früher Wunderknabe deutscher Tanzerfindung und nun ins
Schlingern geratener Ballettchef zu Leipzig, hat dem auseinanderbrechenden
Team an der Bismarckstraße drei vor rund 20 Jahren entstandene
Schöpfungen zu Musik Igor Stravinskys als künstlerische Henkersmahlzeit
übereignet. Alle Tanzbegeisterung, allen Furor und alle Auflösungswut,
so schien es, legte die Truppe um Direktorin Sylviane Bayard in ihre
Abschiedsproduktion. ___
___ Denn
fulminant, mit Double-Lufttouren aus dem Stand, beginnt schon der erste
Teil. Stravinskys "Sinfonie in drei Sätzen"
bietet dem Choreografen die nüchternklare Folie für eine beeindruckend
stimmige Tanzkonstruktion von maschineller Sachlichkeit. Vor einem grauen
Hintergrundhänger, der an zerschiefertes, verwittertes Gestein
erinnert und aus dessen Löchern farbiges Licht von glutrot bis
türkis quillt, vollführen in aufgeregter Stimmung und raschen
Wechseln Solisten ihre mechanischen Bewegungsabläufe. Als Fries
ziehen wie auf einem Laufband Männer tief im Raum ihre Partnerinnen
über die Szene. Spitzige Gebilde, als Stalaktiten von oben in den
züngelnden Tanz stechend, verstärken die bedrohliche Atmosphäre. ___
___
Spagatbeine ragen himmelwärts, preschende Vorwärtssprünge
brechen die Linie der Reihen, bis gegen Ende zwei Frauen mit Marschierwitz
den militärischen Tanzdrill ins Clowneske verfremden. Da bringen
rotierende Riesenwellen in halber Höhe, korrespondierend am Boden
drehende und schließlich kanonisch fallende Tänzer die
Pression zurück. Im Finale stürzt weit hinten ein schräger
Wald aus silberglänzenden Speeren wie ein flächiger Komet
herab. Dem Getöse heben die Menschen in ihren grauen Overalls
die beiden Solistinnen entgegen. ___
___ Weniger glücklich als diese hitzige Vision um das eisige Funktionieren einer uniformierten Menschheit fiel Scholz' Begegnung mit Stravinskys "Feuervogel" aus, auch wenn ihm seine bewährte Begleiterin rosalie für diese eher sinfonische denn konfliktgeladene Lesart wiederum ein Bühnenbild voller Überraschungen gebaut hat. In eine fremde Welt aus sechs irrlichternden Leuchtringen schwebt der Prinz hinein. Als er nach einem Duett den Feuervogel fangen will, schenkt der ihm ein rotes Amulett. Die verzauberten Prinzessinnen erscheinen am hinteren Bühnenrand zwischen weißen Krummstäben, wirken mit ihren Sonnenbrillen und den Lamettapuscheln in der Hand wie eine Cheerleadergang mit bisweilen konstruktivistischen Armformen. Liebe blitzt allenfalls in Iwans Tanz mit der Prinzessin auf. ___
___ Der
weißgesichtige Zauberer zuckt lediglich spastisch inmitten seines
Gefolges aus gesichtslosen grünen Wesen. Auch wenn fünf hängende,
surrende Spitzbürsten zusätzlich Gefahr signalisieren - der
dramatische Kampf zwischen Kaschtschei und dem Prinzen findet nicht
wirklich statt. Und auch nach der Befreiung verharren die Jungfrauen
in einer künstlichen, mechanisch selbstläufigen Welt: In transparenten
Plastikkleidern und mit stilisierten russischen Krönchen defilieren
sie statisch feierlich eine Schräge herab, als wären sie die
Schatten in einer modernen "Bajadere". ___
___ Noch
einmal geben etwa Christine Camillo in der "Sinfonie", Goyo
Montero mit dem virtuosen Solo "Piano Rag
Music + Tango" als Mittelteil des Abends, Raimondo Rebeck
als Prinz, Mariane Joly als seine Partnerin, der hoffnungsvolle Jon
Ugarriza als Feuervogel ihr Bestes. Dennoch: Aus eigenen Kräften
hätte die Kompanie der Deutschen Oper die Produktion schon nicht
mehr bewältigt. Ihr Niedergang begann vor Jahren mit Intendant
Götz Friedrichs Entscheidung, sie entweder gänzlich aufzulösen
oder in fast halbierter Personnage weiterzuführen. Mit nur noch
30 Tänzern hielt sie lange Zeit wacker und selbstausbeuterisch
einen beachtlichen Spielplan aufrecht, bis auch das kaum mehr ging.
So setzte bei der letzten Premiere die Zusammenarbeit mit dem Staatsopernballett
gleichsam Akzente für die Zukunft. Knapp ein Dutzend Tänzer
gehört fortan zum neuen Staatsballett - bleibt der Dank an jene,
die den Sprung nicht geschafft haben und für den Tanz in Berlin
doch etwas geleistet haben. ___
http://www.tanznetz.de, 1. Juni 2004
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