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ZWISCHEN SONNE UND GEWITTER

___ "Ich hatte viel Bekümmernis" - die Komposition von Johann Sebastian Bach inspirierte Uwe Scholz 1996 zu einer seiner ergreifendsten Choreografien mit architektonisch gebauten Bildern. Es gelang, weil vielleicht wie selten in seinen gut 100 neoklassischen Arbeiten hier das Bühnenwerk den Bühnenalltag symbolisierte. Scholz kämpfte seit seinem Amtsantritt in Leipzig 1991 permanent mit Beschränkungen. Nahezu jede Saison wurde seine Truppe verkleinert. Viele Stücke aus dem Gesamtschaffen sind nicht mehr aufführbar. Schon 1999, als der Ballettchef den Deutschen Tanzpreis erhielt, wollte er Leipzig deshalb verlassen. Im vergangenen Sommer kam es zum Eklat über Stellenkürzungen auf 40 Tänzer. Scholz sprach von Mobbing, akzeptierte aber letztlich und wollte - nach einem Sabbatjahr - noch bis Mitte 2006 am Haus bleiben. ___


___ Der 45-Jährige ist am Sonntag an einer Lungenentzündung gestorben, körperlich entkräftet nach jahrelangem Alkohol- und Drogenmissbrauch. Dieser rührte womöglich daher, dass der Hesse schon als Eleve am Stuttgarter Ballett zum Starchoreografen aufgebaut und seitdem oft überfordert wurde. Seine große Musikalität brachte einen Stil des sinfonischen Tanzes hervor, der in den Schritten so dicht an den Noten war wie nie zuvor. Tänzer liebten ihn dafür, ebenso das Publikum - die Kritiker unterstellten ihm im Laufe der Jahre, die Musik seelenlos zu duplizieren. Scholz muss gespürt haben, dass er an einem vorläufigen Schlusspunkt seiner Kunst war. In seinen letzten Choreografien schmissen Tänzer mit Kot und inszenierten Tod. ___


___ Weltweit hat Scholz gearbeitet, unter anderem in Zürich, Rio de Janeiro, Jerusalem, Toronto und Monte Carlo neben deutschen Bühnen wie Stuttgart und Berlin. In der Semperoper Dresden sind drei Abende im Repertoire. Einige Stücke wie sein "Feuervogel" sind längst Klassiker. Diese will die Stadt Leipzig als Träger des Balletts erhalten, versicherte Dezernent Georg Girardet, der "von einem großen Verlust für Leipzigs Kultur"sprach. Zwar habe die Stadt finanzielle Probleme, aber es beginne nun "kein Kahlschlag" des Ensembles. "Mit Uwe als einem der Großen in der Tanzwelt habe ich Sonne und Gewitter erlebt", sagte Intendant Henri Maier. Die Stadt und er würden nun mit gebührendem Abstand einen Nachfolger suchen, der "selbst choreografiert, Kollegen einlädt und vor allem die Meisterstücke des Scholzschen Erbes pflegt". ___

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SÄCHSISCHE ZEITUNG, 24. NOVEMBER 2004

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