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TANZEN,
ABER HAPPIG!
Zum Tod des
Choreografen und Ballettdirektors Uwe Scholz
___ Der
Choreograf Uwe Scholz hat lange gegen seine Bauchspeicheldrüsenerkrankung
gekämpft. Und er sah in den letzten Jahren eigentlich immer elend
aus - dennoch kommt die Nachricht, dass Uwe Scholz gestern an einer
Lungenentzündung in einem Krankenhaus bei Berlin gestorben ist,
unerwartet, und sie ist schmerzhaft. Obwohl es nur eine Frage der Zeit
war, wann die Kräfte dieses ohnehin so zarten Mannes mit dem schmalen
Intellektuellengesicht aufgezehrt sein würden und Deutschland einen
seiner wichtigsten Ballettdichter verlieren würde. Denn das war
er, ein Mann, der mit den Mitteln der Bewegung in absolutem Einvernehmen
mit der Musik Tanzpoesie von Witz und Intelligenz schuf. Scholz wäre
am 31. Dezember 46 Jahre alt geworden. ___
___ VON MONIKA FABRY ___
___ "Die
Posen sehe ich schon, doch wo sind die Schritte?" hatte sich einst
das Tanzgenie Rudolf Nurejew über den jungen Choreografen Scholz
mokiert, der sich selbst in distanzierender Ironie als "einstiges
Wunderkind, das zum Glück einiges hinter sich lassen kann",
bezeichnet hat. Denn Scholz, diesem Hochbegabten, auch musikalisch reich
Gesegneten - seine Eltern ließen dem Sechsjährigen Klavier-,
Gesangs-, Geigen- und Gitarrenunterricht erteilen - flogen zwar die
Bewegungen zu, doch wurden sie zunächst in ihrer makellosen Ästhetik
als "Hohe Schule" und "Posen" bemäkelt, als
zu wenig individuell für ein Alter, in dem man getrost gegen den
Stachel löcken darf. ___
___ Das
war nicht die Sache von Uwe Scholz. Er war nie einer, der scharfe Ecken
und Kanten in sein reiches êuvre einarbeitete, er war nicht vordergründig
wagemutig, er sprang nie über den Schatten der Musik. Er war auch
kein dramaturgischer Hasardeur, mit dem Hang zu verqueren, unbequemen
Deutungen - was heute manche seiner Arbeiten vielleicht doch etwas gestrig
erscheinen lässt. Und dennoch war er einer der Letzten, nicht nur
in Deutschland, sondern in der internationalen Tanzwelt, der abendfüllend
tänzerisch erzählen konnte. Dessen Geschichten man mit offenen
Augen und Ohren und mit heißem Herzen folgte, weil sie aus Tanz
pur bestanden. ___
___ "Bei meinen Balletten müssen sich die Tänzer nach der Musik richten. Und zwar happig", verteidigte er einmal seine choreografisch formale Strenge. Und er setzte beinahe trotzig hinzu: "Ich will gar keinen eigenen Stil haben." Ganz so war es nicht, aber er musste kämpfen, sich Anerkennung verschaffen, obwohl er bereits als 17-Jähriger, während der Ausbildung an der Stuttgarter John-Cranko-Schule, seine erste Choreografie "Serenade für 5+1" kreiert hatte auf eine Mozart-Serenade. ___
___ Marcia
Haydée hatte das enorme Talent des jungen Mannes entdeckt, der
schon mit vier Jahren seinen ersten Ballettunterricht in seiner Geburtsstadt
Jugenheim bei Darmstadt erhielt. Doch zunächst wollte der junge
Scholz Dirigent werden, entschied sich dann aber für den Tanz und
wurde 1973, einen Monat vor John Crankos tragischem Tod, in dessen Akademie
aufgenommen. 1979 schloss Scholz dort seine Ausbildung ab, nachdem er
Abstecher nach London und New York unternommen hatte. Er wurde in die
Compagnie übernommen und erhielt 1980 einen Choreografenvertrag.
Zwei Jahre später wurde er zwar zum "ständigen Choreografen"
des Stuttgarter Balletts ernannt, erfüllte aber Aufträge in
der ganzen Welt. Noch im Oktober 2003, in Kairo, hatten die Stuttgarter
seine Siebte Sinfonie im Tourneegepäck. ___
___ So
war es nur zwangsläufig, dass Scholz mit 26 Jahren Ballettdirektor
und Chefchoreograf in Zürich wurde und von dort, 1991, nach Leipzig
wechselte. Bis zu seinem Tod hat er dort gewirkt. "Ich bin Macher,
kein Redner", hatte er bei der Verleihung des Deutschen Tanzpreises
1999 in Essen gesagt. Als Macher und großen Tanzschöpfer
wird ihn die Ballettwelt ehren. ___
STUTTGARTER ZEITUNG, 24. NOVEMBER 2004
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