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EIN REQUIEM FÜR UWE SCHOLZ


Das Leipziger Ballett mit der "Großen Messe" im März 2005 in Ludwigsburg

___ Ein so umfangreiches Gastspiel wie das derzeitige des Leipziger Balletts (täglich bis zum 12.März, spielfrei am 7.3.) im Ludwigsburger Forum-Theater bedarf langfristiger Planung. Großes Kompliment also für die Veranstalter (die Stuttgarter Kulturgemeinschaft im Zusammenwirken mit dem Ludwigsburger Kulturamt), dass sie sich für ihre alljährliche Tanz-Stagione diesmal für die Leipziger mit ihrer "Großen Messe" entschieden haben. Denn wer konnte ahnen, dass Uwe Scholz zum Zeitpunkt dieses Gastspiels nicht mehr am Leben sein würde? Und so wurde diese "Große Messe" zum Requiem für Uwe Scholz - und ein würdigeres Gedenken seiner ist in diesen wenigen Wochen nach seinem Tod nicht vorstellbar. ___

___ Von HORST KÖGLER ___


___ Und wieder wurde uns bewusst, dass mit ihm ein Choreograf dahingegangen ist, wie es keinen zweiten neben ihm gibt - keinen, der so grundsätzlich in diesen großen architektonischen Formen denkt (Neumeier tut es gelegentlich, wie zum Beispiel in seinen Mahler-Sinfonien, oder im zweiten Teil seines "Nijinsky", aber nicht so prinzipiell). Ich glaube nicht, dass Scholz bewusst an irgendwelche Vorbilder angeknüpft hat, doch wenn überhaupt, so erinnern seine Choreografien am ehesten an gewisse der Sinfonischen Ballette von Massine - und möglicherweise auch an die Kohorten, die die Sowjet-Choreografen in ihren Revolutionsballetten über die Bühne gejagt haben. Aber auch sie haben ihre Ballette nicht so architektonisch konzipiert wie Scholz das getan hat mit seinen Baumaterialien der Musik, des Raums, des Lichts - und natürlich der Tänzer. Scholz war der Kathedral-Baumeister des Balletts. Einen wie ihn hat es vorher nicht gegeben (jedenfalls kenne ich keinen) - und wird es wohl auch keinen je wieder geben. Und seine "Große Messe" ist als sein Vermächtniswerk die Kathedrale von Leipzig. Und diese Kathedrale ist eine Ballett-Kathedrale, wie sie keine andere Stadt der Welt besitzt. ___

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___ Und noch etwas Besonderes: dies ist eine ökumenische Kathedrale! Indem sie Mozarts römisch geprägten Katholizismus mit Scholzens norddeutschem Protestantismus vereint. Die Stadt Leipzig kann stolz auf diese einmalige kulturhistorische Tat sein - und ist sich hoffentlich ihrer Verpflichtung bewusst. Scholzens "Große Messe" gehört unter Denkmalsschutz gestellt! Mich überwältigt sie immer wieder durch ihre Schönheit, ihre Klarheit und ihre so wunderbar stimmige Musikalität. Dabei bilde ich mir nicht ein, ihr Mysterium wirklich ergründet zu haben - der Abstieg in ihre düstere Krypta zu den Klängen von György Kurtag und Arvo Pärt irritiert mich jedesmal wieder aufs neue. Jedenfalls wird sie von den Leipziger Tänzern mit einer gläubigen Inbrunst zelebriert, die zeigt, wie sehr sie Geschöpfe seines - Uwe Scholzens - Geiste sind. Und diese Kathedrale hat eben nicht nur einen Bischof oder Kardinal als Hauptzelebranten, sondern sie ist das Werk einer Community - auch wenn sich einige von ihnen als Persönlichkeiten stärker herausheben: Kiyoko Kimura und Oksana Kulchytska beispielsweise oder Christoph Böhm und Giovanni di Palma. Sie sind Schwestern und Brüder im Geiste Scholz. Und auch das ist das Wunderbare an diesem Opus Dei, dass sie gemeinsam die Verkündigung dieser Botschaft praktizieren, Frauen und Männer in absoluter Gleichberechtigung und im harmonischen Einvernehmen ihres partnerschaftlichen Miteinander. So sehen wir die Tänzer des Leipziger Balletts als eine künstlerische Gemeinschaft mit eigener Identität - wie die Thomaner oder das Gewandhausorchester. Und können nur hoffen, dass sie sich diese Identität auch unter dem demnächst zu kürenden Nachfolger von Uwe Scholz bewahren mögen. ___

http://www.tanznetz.de, Ludwigsburg, 3. März 2005

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