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Landschaften der Seele erinnern an Uwe Scholz
Meine Geschichten
___ Günter Atteln hat seinen anderthalbstündigen
Film "Seelenlandschaften" genannt, der dem Gedenken an Uwe Scholz,
den tragischerweise jung verstorbenen Choreographen, gewidmet ist. In Leipzig,
Scholzens letzter Wirkungsstätte, wurde er nun erstmals vorgeführt.
Er ist bereits nach Japan, nach Finnland, in andere Staaten verkauft. Nur
in Deutschland hat sich noch keine Hand gerührt, ihn aufs Programm
zu setzen. Dabei ist Scholz nach Tatjana Gsovsky der bedeutendste deutsche
Choreograph - und dies bei aller Lebenskürze, die ihm das Schicksal
bewilligt hat. ___
___ VON KLAUS GEITEL ___
___ Ich habe seinerzeit bei Uwes Totenfeier in der Leipziger Oper ein paar Worte des Gedenkens, des bewundernden Verstehens gesprochen. Ich habe auch zum Film Günter Attelns ein paar Worte beigesteuert. Aber was bedeutet deren schmale Aussagekraft schon gegen die Macht der Bilder. Tatsächlich ist es Atteln gelungen, die "Seelenlandschaft" Scholzens einzufangen: Eine Landschaft, die Scholz bei seinen letzten Choreographien immer vorgeschwebt hatte. ___
___ Als er im polnischen Lodz seine Bruckner-Choreographie
vorstellte und von der perplexen Kritikerschar auf der vorangehenden Pressekonferenz nach der Handlung des
Balletts gefragt wurde, antwortete Scholz, er habe kein Handlungsballett
konzipiert, sondern eine Seelenlandschaft entworfen. Tatsächlich hätte
man ihn einen choreographierenden Landschaftsgärtner der Seele nennen
können. ___
___ Unvergesslich dürfte bleiben, wie dieser
versonnene Uwe Yaron Scholz auf dem jüdischen Friedhof von Lodz herumspaziert,
zwischen den uralten geborstenen Grabsteinen, schief und krumm in der Erde
versackt, aber mit tausend unerloschenen Stimmen murmelnd, Gebete, vielleicht
auch Verwünschungen, Klagen, Danksagungen an Gott. Sie scheinen Uwe
Scholz zuzuraunen, seinen Weg bis zum möglicherweise bitteren Ende
weiterzugehen, wie sie es offenbar taten. Er hat es mit Fassung getan.
___
___ Der Film zeichnet seinen Untergang nach. Aber auch die Triumphe auf Scholzens Lebensweg: den schier unaufhaltsamen Aufstieg zur Meisterschaft in der mit klassischen Mitteln des Tanzes erzeugten Sichtbarmachung weiträumiger Musik und zwar mit großen tänzerischen Ensembles. Manchmal konnte man meinen, die Meister hätten eigens für Scholz ihre unsterbliche Musik komponiert. ___
___ Er schien lebenslänglich dazu verurteilt,
schöpferisch tätig zu sein. Es ist erstaunlich und bewunderungswert
zugleich zu sehen, wie Scholzens Tänzer ihre Individualität unter
seiner Anleitung entfalten. Man hört ihnen andächtig zu, wenn
sie über Scholz zu reden beginnen. ___
___ Aber beinahe hatte Scholz alles über
sich bereits auf der Bühne gesagt: in seiner Fassung des "Sacre
du printemps" von Strawinsky für zwei Klaviere und einen einzigen,
einsamen, schier eingekerkerten Tänzer (Giovanni Di Palma verkörpert
ihn und sein Leiden) schrieb Scholz seine entsetzenssatte Autobiographie
auf den Bühnenboden. Sie hat ihn überlebt. Im Film nun flammt
sie noch einmal auf. ___
BERLINER MORGENPOST, 29. November 2006
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