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Uwe Scholz - Von schlichtem, tiefem Ernst
"Gloria in excelsis Deo" (Uwe Scholz) Leipziger Ballett
___ Am Beginn des "Kyrie eleison"
betritt Kiyoko Kimura die bis zu den Mauern leere Bühne und bleibt
einfach ruhig stehen. Sie trägt Bluejeans und ein weißes T-Shirt.
Nach langer Zeit senkt sie ihren Kopf. Später blickt sie suchend hinter
sich. Aus der Höhe gleitet langsam ein riesiger, quadratischer Gitterrahmen
herab, der mit auf die Bühnenmitte gerichteten Scheinwerfern bestückt
ist. Als er den Kopf der Tänzerin erreicht hat, taucht er ihn in gleißendes
Licht, das nach und nach, je weiter er sich senkt, ihren ganzen Körper
überflutet. Es ist, als sei Kiyoko Kimura in den Himmel aufgestiegen.
Diese Szene ist die ergreifendste in dem abendfüllenden "Gloria
in excelsis Deo" von Uwe Scholz, mit dem seine Leipziger Compagnie
an zwei Abenden im Stuttgarter Großen Haus gastiert hat.
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___ VON BERND KRAUSE ___
___ Aber sie macht auch zornig. Denn sie beweist erneut, welchen Verlust das Stuttgarter Ballett erlitten hat, indem diese charismatische Ballerina von ihrem einstigen Chef Reid Anderson so lange mit diskreditierenden Nebenrollen abgespeist wurde, bis sie vor drei Jahren zu Scholz floh, der sie dem Stuttgarter Publikum nun wie eine Trophäe präsentiert. Dieses "Gloria", vor einem Monat uraufgeführt, ist nicht vollkommen neu. Sein erster Teil, "Ich hatte viel Bekümmernis", stammt aus dem Jahre 1996 und war bereits im vergangenen Dezember in Ludwigsburg zu sehen. Aus dramaturgischen Gründen wurde nun sein Schlusschor eliminiert, und es schließen sich ohne Pause Kyrie und Gloria aus Bachs h-Moll-Messe an. ___
___ In Leipzig singen und spielen Thomanerchor
und Gewandhausorchester live, während in Stuttgart die Musik vom Band
kam, leider im zweiten Teil mit störenden Nebengeräuschen. Begegnet
uns Scholz zu Beginn noch als gewiefter Designer von hochglanzlackierten
Gruppenarrangements, Körperskulpturen und artistischen Pas de deux,
die Aria "Seufzer, Tränen" zum Beispiel zeigt Sibylle Naundorf
und Christoph Böhm in einem atemberaubenden Duo, dessen gleitend-akrobatische
Raffinesse wohl kaum überboten werden kann, so ist der zweite Teil
von schlichtem, tiefen Ernst bestimmt. Immer öfter erstarrt die Szene,
lautlos schreiende Münder erschrecken, sanftes Licht umspielt die Tanzenden,
während über ihnen das strahlende Gerüst wie ein drohendes
Verhängnis ständig seine Position wechselt.
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___ Scholz illustriert nicht den Text der Messe,
zuweilen scheint das Geschehen ihm sogar zu widersprechen, sondern er zeigt
Menschen, die hier mit ihrem Schicksal hadern und sich ihm dort vertrauensvoll
ergeben. Wenn Tänzer zu sakraler Musik in Jeans auftreten, dann hat
das häufig den gewissen Hautgout des vergeblichen Bemühens um
Modernisierung. Aber in diesem "Gloria" ist diese Kleidung ein
sinnfälliges Symbol für den Menschen unserer Zeit, der sich hoffend
in die Hände Gottes schmiegt. ___
___ Diesem überaus intimen Tanz ist nichts
ferner als Larmoyanz oder geschmäcklerische Glätte. Und am Ende,
im "Cum Sancto Spiritu" findet das Ballett noch einmal zurück
zu Scholzens jugendlicher Zuversicht, es stürmt gleichsam enthusiastisch
der Zukunft entgegen, bevor das gesamte Ensemble, an der Rampe kniend, seine
Arme ausbreitet und die Helle verlischt. Ein beeindruckendes Gastspiel einer
Compagnie, die nicht nur durch ihre tadellose technische Qualität für
sich einnimmt, sondern vor allem durch eine künstlerische Reife und
Homogenität, zu der man der Bach-Stadt Leipzig nur gratulieren kann.
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koeglerjournal,
Stuttgart, 22. Juni 2001
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