home * biography * choreographies * links * photographs * media * contact


DIREKT VOM HIMMEL INS HERZ

___ So ist das Leben: Blind und taub geht es seinen Weg, unbeirrt durch den Augenblick. Doch gestern, am Freitagmittag, während draußen der Weihnachtsmarkt summte und brummte, hielt es zumindest in der Leipziger Oper eine Sekunde inne - für den Abschied von Uwe Scholz. ___


___ Fast 1500 Menschen waren gekommen, zum Teil weit her angereist, um den international bekannten Direktor und Chefchoreografen des Leipziger Balletts zu ehren. Einen Ausnahmekünstler, so verletzlich wie angreifbar, einen, der uns gezeigt hat, dass "die Verbindung von Tanz und Musik der direkte Weg vom Himmel ins Herz ist", wie es Wolfgang Tiefensee als Oberbürgermeister der Stadt formulierte, in der Scholz die letzten 13 Jahre wirkte. ___

___ VON GISELA HOYER ___

 

___ Die Compagnie, die der am 21. November 45-jährig Gestorbene hier gegründet und geformt hat, wurde rund um den Erdball stürmisch gefeiert. Und seine Tänzer, die sich zu Mozarts "Ave verum corpus" auf der Bühne aufgestellt hatten, dankten ihm in stummer Verneigung. ___


___ Im Saal saßen rund um Scholz' Mutter unter vielen anderen der scheidende Ballettchef der Wiener Staatsoper, Renato Zanella, und die Gründungsdirektorin des Bayerischen Staatsballetts, Konstanze Vernon, sowie Fernsehmoderator Alfred Biolek, ein enger Scholz-Freund - als Klaus Geitel, Kritiker aus Berlin und ebenfalls einer aus dem Kreis der Vertrauten, respektvoll und mit Wärme über den zu früh und unvollendet Gegangenen sprach. Der Tod hätte ihn zwar jung ereilt, die Götter hätten ihn dennoch nicht wirklich geliebt. "Sie und die, die sich für Götter halten, haben ihn zu oft gedemütigt und in die Ausweglosigkeit gedrängt." Auch wenn jetzt "die Zeit der wechselseitigen Anklagen vorbei sei und nur die Klagen blieben", widersprach Geitel "der heuchlerischen Behauptung" energisch, Uwe Scholz sei mit seinem künstlerischen Latein am Ende gewesen. "Er war allerdings mit seinem Lebenslatein am Ende." ___


___ Für alle Tänzer, die jemals mit ihm zusammengearbeitet haben, summierte der Erste Solist des Leipziger Balletts, Christoph Böhm, diese Zeit als "unglaublich schaffensreiche Periode". Er beschrieb Scholz vor allem als humorvoll und kreativ. Und er befürchtet, das wahre Ausmaß dieses Verlustes "bekommen wir jetzt noch gar nicht mit". Scholz, den Udo Zimmermann, damals Intendant der Oper Leipzig, 1991 aus Zürich holte, hat mehr als 100 Ballette geschaffen - die Geitel "in ihren größten Momenten Dichtungen für bewegte Körper"
nennt. Gestern schmückte ein Riesenfoto von ihm die ansonsten schwarze Opernbühne: Uwe Scholz im Ballettsaal, scheinbar unverwundbar und strahlend. ___


___ Dann spielte das Gewandhausorchester unter Robert Reimer Mozarts Messe c-moll, die Musik zu Scholz' wunderbarer Choreografie "Die Große Messe" - für die er, auch sonst vielfach Preis-geschmückt, 1998 mit dem Theaterpreis der Bayerischen Staatsregierung ausgezeichnet wurde. ___


___ Das war in glücklicheren Tagen, auch wenn Uwe Scholz - als jemand, der der Schönheit des klassischen Tanzes vertraute, ein echter Erbe der Ballettlegende Balanchine - wohl immer einer Kerze glich, die von beiden Seiten brennt, spektakulär und verhängnisvoll. Doch irgendwann war die Katastrophe vermutlich nicht mehr aufzuhalten - eine Entwicklung, die der bittere Sommer 2004 mit dem offenen Kampf zwischen Scholz, Opernchef Henri Maier und der Stadt nur beschleunigte. Da konnten nur wenige Uwe Scholz noch erreichen, helfen konnte ihm vielleicht niemand mehr. Das Gefühl von Einsamkeit muss überwältigend gewesen sein ... ___


___ Spontan erklang gestern leise Beifall, als Wolfgang Tiefensee Scholz' Compagnie versprach, man werde schnell "eine gute Lösung finden, an seine Arbeit anknüpfen, auf ihr aufbauen, sie fortsetzen". ___

top

LEIPZIGER VOLKSZEITUNG, 3. DEZEMBER 2004

home * biography * choreographies * links * photographs * media * contact